Die Arbeit mit den Faszien ist weit mehr als eine Technik – sie ist eine feinfühlige Form der Kommunikation zwischen Massagetherapeutin und Klientin. In dem dritten Teil unseres Fasziengespräches mit Andreas, dem Begründer der Funktionellen Myofaszialen Integration (fMFI), tauchen wir tief in die Welt der Faszien ein und sprechen über respektvolle Berührung, anatomisches Verständnis und die Verbindung von Körper, Geist und Seele.
Teil 3 unseres Fasziengespräches:
Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus unserem Gespräch:
Lili: Andreas, wenn ich unsere Arbeit als Massage-Praktitioner zusammenfassen würde, dann ist es doch besonders wichtig, die Faszien mit sehr viel Respekt zu behandeln und die Kommunikation mit dem Gewebe in den Vordergrund zu stellen, oder?
Andreas: Absolut. Die Faszien sind nicht einfach nur ein passives Bindegewebe, sondern ein komplexes System, das auf Berührung und Veränderung reagiert. Besonders spannend ist, dass die verschiedenen Schichten der Faszie unterschiedliche Bedürfnisse haben.
Unterschiedliche Bedürfnisse der Faszienschichten
Oberflächliche Faszien
Hier geht es vor allem um sanftes Verschieben, Wärme geben und feines Spüren. Das Tempo sollte langsam und achtsam sein.
Tiefe Faszien
Wenn wir tiefer sinken, ist es wichtig, dass wir das Tempo anpassen und mit einer schmelzenden, langsamen Bewegung arbeiten. Die Faszien öffnen sich nicht durch schnellen, kräftigen Druck, sondern durch geduldiges und einfühlsames Arbeiten.
Lili: Das finde ich sehr spannend. Vor allem fällt mir in der Praxis immer wieder auf, dass verschiedene Körperregionen unterschiedliche Konsistenzen der Faszien aufweisen.
Andreas: Genau, das ist ein wichtiger Punkt! Nehmen wir zum Beispiel die unteren Extremitäten – Beine und Füsse. Da die Füsse das gesamte Körpergewicht tragen, dürfen wir hier ruhig mit etwas mehr Druck arbeiten. Natürlich immer respektvoll, aber intensiver als etwa an den oberen Extremitäten.
Bei den oberen Extremitäten, wie dem Schultergürtel oder dem Schulter-Arm-Bereich, würde ich mit weniger Druck arbeiten. Diese Bereiche sind stark auf Mobilität ausgerichtet. Hier empfehle ich grosszügige, mobilisierende Streichungen, die die Beweglichkeit des Gewebes unterstützen.
3-dimensional arbeiten am Rumpf
Lili: Wenn wir über den Rumpf sprechen – Rücken, Brust und Bauch – dann kommt mir immer wieder der Gedanke, dass wir nicht nur die äussere Schicht bearbeiten, sondern auch die inneren Strukturen mit einbeziehen.
Andreas: Genau das ist der Punkt! Der Rumpf ist wie ein Behälter, der die inneren Organe schützt und umhüllt. Wenn wir am Rumpf arbeiten, sind wir indirekt auch mit den viszeralen Strukturen – den Organen – in Verbindung.
Ich arbeite hier oft mit beiden Händen: eine Hand vorne, die andere hinten oder seitlich. Dadurch kann ich eine dreidimensionale Verbindung schaffen und nicht nur die äusseren Schichten, sondern auch das Innere des Körpers erspüren. Es geht darum, eine Beziehung zwischen dem Behälter und seinem Inhalt aufzubauen.
Die Intention und das Bewusstsein, mit welchen Strukturen wir gerade in Berührung sind, machen dabei einen großen Unterschied. Anatomisches Wissen – besonders ein integrales Verständnis – kann uns dabei sehr helfen.
Die Massage am “Rückenpanzer”
Lili: Manchmal erlebe ich in meiner Praxis, dass ich auf eine Art „Rüstung“ stosse – besonders bei Menschen mit Kopfschmerzen oder Nacken- und Schulterschmerzen. Das Gewebe fühlt sich dann hart und fest an, und ich finde es schwierig, überhaupt in Kontakt zu kommen. Was würdest du in solchen Fällen empfehlen?
Andreas: Das kenne ich gut. Wenn ich auf solche „Rüstungen“ stosse, gehe ich nicht direkt auf die Problemzone zu. Stattdessen suche ich am Körper nach einem Ort, an dem ich leichter Zugang finde. Dort baue ich zunächst eine Verbindung auf und schaffe Vertrauen.
Das Tempo ist dabei entscheidend. Ich arbeite langsam und spüre, wann das Gewebe bereit ist, sich zu öffnen. Manchmal reicht es, einfach nur an einer Stelle zu verweilen und in die Tiefe zu schmelzen. Wenn das Gewebe an einer Stelle nicht nachgibt, wechsle ich zu einem anderen Ort und suche dort weiter. Sobald ich an zwei oder drei Stellen Tiefe gefunden habe, verbinde ich diese Punkte mit sanften Streichungen.
Lili: Das klingt nach einem sehr feinfühligen Ansatz. Gibt es noch etwas, das du in Bezug auf die Faszienarbeit besonders wichtig findest?
Mitbehandlung des Nervensystems
Andreas: Ja, ein Gedanke, den ich aus einer Weiterbildung mitgenommen habe, begleitet mich bis heute: Wenn wir mit den Faszien arbeiten, sind wir immer auch mit dem Nervensystem in Verbindung.
Egal, wo wir am Körper arbeiten – sei es an den Füssen, Händen oder am Rücken – wir stehen über die Faszien direkt mit dem Gehirn in Verbindung. Die Faszien sind zudem stark durchblutet und durchzogen vom Lymphsystem. Das bedeutet, dass wir auch immer mit dem Flüssigkeitssystem des Körpers arbeiten.
Faszienarbeit ist daher viel mehr als eine strukturelle Technik. Sie ist eine ganzheitliche Arbeit, die Körper, Geist und Seele miteinander verbindet.
Lili: Das fasst es wunderschön zusammen. Faszienarbeit ist wirklich eine intime Form der Berührung und Kommunikation.
Andreas: Genau. Und deshalb ist es so wichtig, die richtige Intention zu haben und die Berührung als Mittel zu sehen, um Vertrauen, Heilung und Veränderung zu ermöglichen.
Lili: Zum Abschluss noch eine Frage: Wo können Therapeutinnen mehr über deinen Ansatz erfahren?
Andreas: Mein Konzept heißt fMFI – Funktionelle Myofasziale Integration. Es verbindet die Arbeit mit den Faszien und Muskeln mit einem ganzheitlichen Ansatz, der darauf abzielt, die Körperfunktion zu verbessern.
Ich biete Kurse in Bern bei Physio Bern und im Kientalerhof an. Es gibt ein Basismodul, in dem die Grundlagen der Faszienarbeit vermittelt werden, sowie Aufbaukurse zu den oberen und unteren Extremitäten und zum Rumpf. Ein Abschlussmodul rundet die Ausbildung ab.
Weitere Informationen findest du auf meiner Webseite: fmfi.ch